
Der Abend war schwül gewesen und die Nacht war noch schlimmer. Die Hitze was fast unerträglich, der Schweiß klebte förmlich auf der Haut. Solches Wetter war für London seltsam. Eigentlich sollte der Wind durch die Straßen von East End wehen, aber das passierte nicht. Überall roch man den Geruch von Dreck und Tod. Überall lagen Menschen auf der Strasse, die um ein paar Cents bettelten, aber nicht nur das, es gab auch viele Frauen, die nur auf einen Freier warteten. Diese Frauen nannte man Nutten, Dirnen oder wie man es noch nennen wollte. Viele von ihnen taten es um zu überleben, auch wenn sie sich dafür schämten. Aber zu dieser Zeit waren Brot und Milch knapp und irgendwas musste man tun, wenn man seinen Kindern etwas zu essen geben wollte.
Einen reichen Freier zu finden war schwierig und deswegen waren sie froh, wenn sie einen Armen fanden, der ihnen ein paar Pfund gab, für ihre Dienste. Meistens waren die Freier in irgendeinem Pub zu finden. Das waren immer arme Männer, die vor der Realität, besser gesagt vor den Ehefrauen, flüchten wollten. Manchmal bekamen diese Frauen etwas zum Trinken spendiert und das hieß, dass sie sich mit diesem Mann einließen. Nach ein paar Zeichen ging die Dirne mit dem Freier hinaus und in einer versteckten Gasse, taten sie, was sie tun mussten. Das war aber auch sehr gefährlich, denn sie wussten nie, was draußen auf sie warten würde, denn wenn der Freier mehr wollte, als was sie eigentlich vereinbart hatten oder nicht bezahlen wollten, wurden sie geschlagen oder sogar getötet.
Ja, das Leben im East End war gefährlich und der Tod konnte dich irgendwann holen. Aber bis er kam, musste man tun, was man tun sollte.
So war das Leben auch für die 5 Freundinnen und Dirnen, die im Pub „Glasgow“, auf ihre Freier warteten.
Mary Ann Nichols, für Freunde war sie Polly, war die Tochter eines Schlossers. Nachdem sie William geheiratet hatte, lebten sie bei ihrem Vater in London. Dort lebten sie 10 Jahre. 1874 zogen sie in ihr eigenes Haus. Sie hatten 5 Kinder, doch im Jahre 1881 brach die Beziehung auseinander.
Annie Chapman, war klein, korpulent und unattraktiv, heiratete aber John Chapman, der Kutscher war. Sie trennten sich 1882.
Annie, bettelarm und krank, hatte keine Familie, deren Hilfe sie in Anspruch nehmen konnte, obwohl die Ehe drei Kinder hervorbrachte. Eine Tochter starb, die andere vermeintliche Tochter sollte sich in einer Einrichtung in Frankreich aufhalten. Der Sohn lebte in einem "Heim für Krüppel".
Elizabeth Stride, bekannt unter dem Spitznamen Long Liz und Tochter eines Farmers, hatte eine Schwester und zwei Brüder. Als Sechzehnjährige hatte im Jahre 1860 die Familie verlassen und und in Göteborg bei Lars Frederick Olofsson und seinen vier Kindern eine Anstellung als Hausmädchen gefunden. Im März 1865 wurde sie das erste Mal als Prostituierte bei der Polizei aktenkundig. 1866 entschloss sie sich Schweden zu verlassen und nach England zu gehen.
Im Jahre 1869 heiratete sie den Zimmermann John Stride, aber schon nach kurzer Ehe trennten sie sich wieder.
Catherine Eddows war bekannt unter dem Spitznamen Kate Kelly.
Catherine wird auf der "St. John's Charity School" in Potter's Field ausgebildet worden, bis ihre Mutter im Jahre 1855 starb. Irgendwann zwischen 1861 und 1863 verließ sie ihr zuhause um mit Thomas Conway, einem Armee-Pensionär und Vater der gemeinsamen drei Kindern, zu leben. 1880 trennte sich Catherine von Thomas Cornway und nahm ihre Tochter Annie mit. Die beiden Jungs blieben bei Thomas.
Geboren wurde Mary Kelly, auch bekannt als Marie Jeanette Kelly, Mary Ann Kelly, Ginger Black Mary und Fair Emma in Limerick, Irland. Als kleines Kind zog sie mit ihrer Familie nach Wales.
Etwa im Jahre 1879 heiratete sie im Alter von 16 den Grubenarbeiter Davies. Zwei oder drei Jahre später starb er bei einer Explosion.
Mary zog nach Cardiff und lebte dort bei einem Cousin. Obwohl sie in Cardiff als Prostituierte arbeitete, gibt es bei der Polizei keine Akten über sie.
Im Jahre 1884 kam sie nach London.
20.Juli 1988:
Alle Fünf hatten einen Drink auf dem Tisch. Es war üblich sich vor oder nach der Arbeit in diesem Pub zu treffen und über die verschiedenen Dinge zu reden. Und an diesem Abend waren sie auch da.
„ Hey Mary, hast du heute etwas vor? Wartet jemand noch auf deine Dienste?“, lachte Annie amüsiert. Mary drehte sich um und sah Annie betrunken an.
„Ja, was hast du gedacht, dass ich von Luft leben kann oder was? Sieh lieber zu, dass jemand dich noch will“, gab sie kaltschnäuzig zurück.
„Hey Ladies, amüsiert euch doch, die Nacht ist noch jung“, sagte Elizabeth und ging Richtung Theke. Dort bestellte sie sich einen Whiskey und ging wieder zurück zu ihren Freundinnen.
„Habt ihr nicht manchmal Angst, wenn ihr mit euren Freier in eine dunkle Gasse geht?“, fragte Mary Kelly ängstlich in die Runde.
„Meine Süße, wir alle haben Angst, aber wenn wir es nicht tun, dann werden wir nichts zu essen kaufen können.“ Dabei streichelte Annie Mary Kellys Gesicht.
Mary Kelly sah auf den Boden und schloss für einige Sekunden die Augen, seufzte tief und öffnete sie wieder. Erst jetzt bemerkte sie, dass ein dicker mit Schweiß und Schmutz beklebter Mann Mitte 50, hinter Elizabeth stand. Sie redeten eifrig und Catherine lachte leise, als sie hörte, was der Mann sagte.
„Also, meine Ladies, ich und Catherine gehen schnell mit diesem charmanten Mann weg. Vielleicht kommen wir später wieder oder vielleicht auch nicht.“
Sie lachte laut und beide Frauen begleiteten den Mann nach draußen. Mary Kelly verzog das Gesicht und die anderen zwei Frauen sahen eifersüchtig hinterher.
„Na wenigstens werden sie etwas verdienen, aber wir drei werden es nicht und verzieh dein Gesicht nicht“, sagte Mary Ann mit fester Stimme zu Mary Kelly. Die Luft im Pub Glasgow war stickig, Mary Kelly warf ein paar Cents auf den Tisch. „ Also Frauen, ich gehe nach Hause, mir geht’s nicht so gut.“ Dabei seufzte sie tief und machte sich auf den Weg nach draußen.
Sie hatte gehofft, dass die Luft draußen nicht so stickig wäre, aber so war es nicht. Langsam lief sie durch die Gassen und sah in den Himmel. Wie gerne wäre sie wie die Sterne frei gewesen. Aber das war unmöglich, unmöglich wie die Illusion, die sie hatte, einmal einen Prinzen zu heiraten. In jeder Ecke waren Freier mit ihren Dirnen, ständig verzog sie das Gesicht, wenn sie das Stöhnen hörte. Nein, das war nicht das Leben, das sie haben wollte. Manchmal fühlte sie sich dreckig, an ihr klebte der Geruch der Männer, die sie hatte um zu überleben. Aber wenn sie die Augen lange genug schloss, konnte sie diesen Gedanke für einen Moment vergessen. Sie war so tief in ihren Gedanken versunken, dass sie nicht merkte, dass sie in einen Mann lief.
„Hey, passen Sie doch mal auf“, sagte sie mit zittriger Stimme. Sie sah hinauf ins Gesicht des Mannes und was sie sah, zog sie in seinen Bann. Der Mann war groß, hatte dunkle lange Haare, die gepflegt aussahen, und diese Augen, die das gewisse Etwas hatten. Er sah jung aus, aber diese Augen hatten so viel zu erzählen, als wenn er über 100 Jahren alt wäre. Er zog eine Braue nach oben und lächelte sie warm an.
„ Es tut mir leid, my Lady“, sagte er und sah ihr tief in die Augen. „Geht es Ihnen gut? Und was macht eine so schönen Lady wie Sie zu dieser Zeit alleine auf Londons Straßen?“
Ihr Herz raste, besser gesagt hüpfte, weil ein Mann seines Standes, sie fragte, wie ihr ging.
„Mhh, na ja, es geht mir gut und ich wollte gerade nach Hause gehen.“ Sie errötete leicht und das bemerkte der Fremde.
„Ist schon gut, my Lady, Sie müssen sich nicht schämen. Wissen Sie, ich bin neu in dieser Gegend und suche nach einer Bleibe zum Übernachten, aber das ist nicht so einfach.“ Sein Blick wanderte zum Himmel.
„Also, wenn sie wollen, würde ich Ihnen schon helfen, dort, wo ich wohne, gibt’s ein Hotel. Ja ok, es ist nicht gerade Luxus, aber wenn Sie wollen, könnte ich mit dem Vermieter reden.“, sprach sie und wunderte sich selbst, dass sie einem Fremden einfach ihre Hilfe anbot.
„Ja gerne, ich brauche nicht unbedingt Luxus.“ Seine Augen glitzerten in der Nacht.
Mary Kelly begleitete den Fremden bis zum Hotel. Schnell ging sie hinein und nach ein paar Minuten kam sie wieder hinaus.
„Also, er hat gesagt, dass es ok wäre, wenn Sie dort übernachten würden, aber es würde 5 Pfunde pro Nacht kosten.“
„Ja, das ist in Ordnung.“ Er lächelte sie an.
„Hören Sie, ich würde mich freuen, wenn ich Sie noch einmal treffen könnte, es war schön mit ihnen zusammen zu sein, aber denken Sie nicht falsch, ich will Sie nicht ausnützen oder so. Ich habe es genossen mit ihnen zu reden.“ Sie errötete wieder.
„ Ich danke Ihnen und ich habe es auch genossen, aber wie heißen Sie, wenn ich fragen darf?
Ich heiße Mary Kelly“, fügte sie hinzu.
„Ich heiße Angelus“, sagte er, nahm ihre Hand und gab ihrer Hand einen Kuss.
„Dann bis Bald, Mary Kelly.“ Langsam entglitt ihm ihre Hand und sie ging ins Hotel.
Fröhlich und mit einem Lächeln auf den Lippen ging sie nach Hause. Dort öffnete sie die Tür und legte sich aufs Bett. Sie dachte die ganze Zeit an Angelus und schlief friedlich ein.
Währendessen im Hotel.
Der Vermieter wartete auf den Fremden und sah schon etwas genervt aus.
„Na endlich kommen Sie, ich habe nicht die ganze Zeit. Wäre es für mich gewesen, hätte ich Ihnen nie ein Zimmer gegeben, aber Mary Kelly bestand darauf.“, sagte er mit eiserner Stimme. Angelus lachte in sich hinein. Er wagte es tatsächlich, so mit ihm zu reden. Mit einer Kerze ging er hinauf und zeigte dem Fremden das Zimmer.
„Ich will keine Dirnen im Haus haben und ich will nicht, dass Sie im Zimmer essen! Ist das klar?!“, fragte er mit bedrohlicher Stimme. Auf einmal setzte Angelus sein Game-face auf und packte den Mann am Hals.
„Na, na, ich habe jetzt Hunger und wenn ich will, dann esse ich im Zimmer“, sagte er und lachte. Mit voller Wucht rammte er seine Zähne in den Hals des Mannes und trank ihn leer . Er nahm die Leiche und versteckt sie im Keller. Er schmiedete Pläne. Ja, Pläne, die nur den Tod mit sich bringen würden. Aber zuerst wollte er Mary Kelly besser kennen lernen und lachend wartete er auf dem Bett, bis die Sonne aufging und schlief dann friedlich ein.
21. Juli 1988
Am nächsten Tag wachte Mary Kelly früh auf. Die Sonne schien bereits und man hörte die Vögel, die draußen zwitscherten. Langsam öffnete sie ihre Augen und streckte sich, um ihre Muskeln zu dehnen. Auf ihrem Gesicht lag ein Lächeln, das von Ohr zu Ohr reichte. Sie hatte heute noch viel zu erledigen, aber das würde ihre Laune nicht verderben. Sie wusch und zog sich an und ging hinaus auf die Straße. Als sie tief in Gedanken versunken war, traf sie ihre Freundin, Catherine. Mary Kelly sah, dass sie blauen Flecken am Gesicht hatte, deswegen ging sie schnell zu ihr um zu fragen, was passiert sei.
„Guten Morgen, Catherine“, sagte sie mit besorgter Miene.
„Guten Morgen Mary Kelly.“ Catherine sah auf den Boden und wollte ihr nicht in die Augen sehen.
„Was ist denn passiert? Warum hast du im Gesicht blaue Flecken?“ Dabei strich sie mit der Hand über Catherines Gesicht. Diese zuckte zurück und wollte gerade gehen, als Mary Kelly sie am Arm festhielt.
„Komm, sag es mir! Wir sind ja Freundinnen!“, bettelte sie fast.
„Ja, also, ich und Elisabeth….ja …..wir sind ja mit diesem Mann gegangen. Wir haben alles getan, was er sagte, aber als wir fertig waren, wollte er nicht bezahlen, deswegen habe ich ihn bedroht. Aber er ist einfach auf mich losgegangen und hat mich geschlagen. Elisabeth wollte mir helfen und sie wurde auch geschlagen. Aber wer am Meisten abbekommen hat, war ich.“ Sie senkte wieder ihren Blick und Mary Kelly merkte, dass eine Träne an ihrer Wange runterfloss.
„Bitte, Catherine, weine nicht. Es wird schon gut. Das was zählt ist, dass es euch gut geht.“ Mary Kelly sah sie warm an.
Ihre Wege trennten sich aber nach einigen Minuten wieder, das Leben war so zu dieser Zeit und jeder musste das tun, was er tun musste.
Sie musste die ganze Zeit über das, was passiert war, nachdenken. Ihr tat es weh. Sie waren ja ihre Freundinnen, aber leider konnte sie nichts tun. So war es halt, deswegen sagte sie immer zu sich selber, dass sie eines Tages von dort weggehen würde. Aber bis dieser Tag kam, konnten ja Jahre vergehen. Der Gedanke an Angelus war immer in ihrem Hinterkopf gewesen, die ganze Zeit, sie wollte ihn ja noch besuchen. Also, nicht richtig besuchen, sie wollte vielmehr nachschauen, ob er sich wohl fühlte. Nach dem Abendessen, besser gesagt nach einem Stück Brot, machte sie sich auf dem Weg zum Hotel. Sie hatte bereits ein starkes Kribbeln im Magen. Sie war von diesem Fremden fasziniert gewesen und sie wollte ihn vielleicht besser kennen lernen oder war sie einfach etwas irre? Ja, sie dachte das von sich selbst. Wie konnte ein Mann seines Standes etwas von ihr wollen? Schließlich machte sie sich auf den Weg zu ihm. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen gelangte sie zum Hotel. Langsam öffnete sie die Tür, man hörte nichts.
„Herr Smith sind sie hier?“, rief sie zwei Mal im Foyer, aber sie erhielt keine Antwort. Sie wusste, dass Angelus ein Zimmer im ersten Stock hatte, deswegen machte sie sich auf den Weg nach oben.
`Soll ich klopfen oder soll ich nicht`, fragte sie sich selber. Sie könnte spüren, wie ihr Mut sie im Stich ließ. Sie nahm sich zusammen und klopfte an, aber niemand antwortete. Sie klopfte noch einmal. Beim zweiten Versuch ertönte eine Stimme aus dem Zimmer: „Ja? Wer ist da?“
„Ich bin es, Mary Kelly, wissen sie noch, wer ich bin?“ Sie hoffte, dass Angelus noch wusste, wer sie war.
Der Fremde öffnete die Tür und lächelte sie an. Ihr Gesicht strahlte und sie zitterte innerlich, weil Angelus sie mit diesen Augen ansah. Mit diesen Augen, die sie so sehr faszinierten.
„Mhh…geht’s Ihnen gut? Haben sie gut geschlafen?“, fragte sie und wurde leicht rot.
„Ja, ich habe gut geschlafen, danke für die Nachfrage“, antwortete er mit bestimmter Stimme.
„Wissen Sie, wo der Vermieter ist?“
„ Ja der Vermieter…also... er ist schnell auf den Markt gegangen, aber er kommt bestimmt wieder. Das hat er mir vorher gesagt.“ Er lehnte sich gegen die Tür und lächelte sie an. Nach dieser Frage folgten einigen Minuten der Stille. Sie wusste nicht, ob es eine gute Idee gewesen war ihn zu besuchen. Er hätte ja denken können, dass sie nur eines haben wollte, dass sie eine Dirne war.
Angelus fasste sich am Kopf. „Na, ich bin blöd, wollen Sie mit mir einen Spaziergang machen?“, fragte er plötzlich.
Mary Kelly stockte es den Atem und ihr war es bewusst, dass sie nervös wirkte.
„ Ja…mhhh….ja sehr gerne.“ Sie strahlte über das ganze Gesicht.
Langsam glitten sie in die Nacht, sie hatte das Gefühl, sie auf einer Wolke zu schweben . Der Wind wehte und es fühlte sich an, als würde sie von ihm gestreichelt werden. Die Hoffnung schimmerte wieder in ihren Augen, vielleicht würde sich das Ganze noch zum Guten wenden. Ein paar Mal sah sie hinab zu ihrer Kleidung und dann wieder zu seiner Kleidung, in diesem Moment schämte sie sich für das, was sie war. Sie schämte sich für ihre Arbeit und sie schämte sich wegen ihrer Arbeit [ist das nicht dasselbe?]. Sie hatte schon etliche Male gehört, dass ein paar Dirnen einen netten guten Mann kenne gelernt hatten und dann halfen diese Männer ihnen aus der Gosse zu entfliehen. Aber würde sie dieses Glück haben? Besorgt und betrübt hatte sie in die Ferne geschaut und letztendlich senkte sie ihren Kopf.
„My Lady, was haben Sie? An was denken Sie?“ Besorgt sah er ihr in die Augen.
`Wenn er nur wüsste, was ich fühle`, dachte sie sich. Welchen Schmerz sie in ihrem Herz fühlte und welche Traurigkeit. Das konnte er aber nicht wissen oder vielleicht doch?
„Mary Kelly, bitte sagen Sie es mir. Ich weiß, dass sie Traurigkeit in ihrem Herz tragen, aber wieso, weiß ich nicht. Sie sind so eine schöne Frau und sie sind jung. Sie haben noch das ganze Leben vor sich.“ Dabei strich er mit seinen Fingern eine Strähne aus ihrem Gesicht. Sie ließ ihn gewähren, dieses Gefühl war unbeschreiblich und niemals hatte sie so etwas gefühlt. Langsam hob sie ihren Kopf und sah in den Himmel. In diesem Moment wollte sie nicht antworten, sie wollte diesen Moment nicht zerstören, das war ihr zu wichtig.
„Angelus, hatten sie nie das Gefühl, dass die Sterne mit ihnen reden würden?“, fragte sie ihn, ohne ihren Blick vom Himmel abzuwenden.
„Also ich nicht, aber eine sehr gute Freundin von mir redet ab und zu zu den Sternen. Sie meint, sie würden mit ihr, über alles Mögliche, reden. Aber ich schaue gerne in den Himmel und beobachte sie auch gerne“, erklärte Angelus.
`Eine Person, die wie ich denkt`, dachte sich Mary Kelly. Das war ein gutes Gefühl, dass sie nicht die Einzige war.
„Wissen sie Angelus, ich liebe die Nacht mehr als den Tag. Wenn es Nacht ist, dann bin ich frei, ich muss mich nicht mehr hinter jemandem verstecken. Das finde ich so befreiend.“ Angelus lächelte Mary Kelly an und sie fühlte wieder die Wärme auf ihrem Gesicht.
Oh ja, das tat Angelus auch zu gerne. Oder besser gesagt, er hatte ja keine andere Wahl.
`Wenn sie nur wüsste`, dachte Angelus und lächelte in sich hinein.
„Vielleicht, irgendwann wird die Nacht euch zuhören und euren Wunsch erfüllen. Ich bin auch ein Nachtmensch und genieße sie sehr. Viele können es nicht verstehen, aber ich denke, dass nicht alle geboren sind, um es verstehen zu können. Zum Beispiel können es die Menschen auch nicht verstehen, dass sie einfach anders sind, als die anderen. Und doch strahlen sie heller als ein Stern im Himmel.“ Sie sah ihn einfach an und wagte es nicht, etwas zu sagen. Ihr Herz raste und ihr war nicht bewusst, dass sie in der kühlen Londoner Luft glühte.
„Angelus, wenn ich was fragen darf, was machen sie eigentlich in London?“ Er verengte kurz seine Augen, aber schnell verwandelten sich seine Lippen in ein Lächeln.
„Ja, wissen sie, ich habe ein paar Verwandte in London, aber zurzeit sind sie nicht hier, aber sie werden bald hier sein und deswegen wohne ich im Moment ganz alleine in einem Hotel.“
Am Ende dieses Satzes schmollte [hä? Schürzte, verzog er den Mund oder wie?] er kurz seine Lippen und beinahe wären ihm Tränen aus den Augen geflossen. Mary Kelly merkte es und wechselte schnell das Thema, sie wollte Angelus nicht leiden sehen, er war so lieb zu ihr gewesen und das würde ihr nur im Herzen wehtun.
`Herrlich wie die Frauen weich werden, wenn man die weiche Seite zeigt`, dachte sich Angelus.
Sie redeten noch lange über Gott und die Welt, aber bevor die ersten Sonnenstrahlen am Horizont strahlen könnten, verabschiedete sich Angelus und verschwand in sein Hotel.
Die Tage vergingen und seit langem fühlte sich Mary Kelly so gut wie noch nie. Ihre Gedanken kreisten immer noch um diesen Mann, Angelus. Sie hatte Glück gehabt, jemanden wie ihn zu finden und doch hatte sie vor der Zukunft Angst. Was wäre, wenn er sie nur ausnützen wollte um sie danach wie einen Kartoffelsack fallen zu lassen? Aber, nein das konnte sicher nicht passieren! Er war ein richtiger Gentleman und ein Gentleman würde das nie tun.
30.07.1888
Die Sonne schien am Horizont, die Luft war warm und man hörte die Vögel zwitschern. Ein solcher Tag war ein Geschenk Gottes an alle, die im East End lebten und das war auch so für die 5 Freundinnen.
Der Morgen und der Nachmittag waren mühsam gewesen. Jede einzelne von ihnen hatte viel zu erledigen und ein paar von ihnen hatten auch einen Kater vom letzten Abend. Was sie am
Abend als Dirnen verdient hatten, würden sie sicher am nächsten Abend wieder mit dem Alkohol tauschen. Jede einzelne von ihnen würde das tun, außer Mary Kelly. Sie hatte schon viel Geld beiseite gelegt, damit sie eines Tages von hier verschwinden konnte. Sie musste auf vieles verzichten, aber das war es ihr wert.
Am Abend trafen sich die Freundinnen wieder im Pub „Glasgow“. Man redete viel über das, was geschehen war. Die eine erzählte, wie schwer der Tag gewesen war, und die andere erzählte, dass sie wieder im Rückstand mit der Miete war. Mary Kelly hatte ihren Freundinnen noch nichterzählt, dass sie einen Mann eines gewissen Standes kennen gelernt hatte. Vielleicht aus Angst, dass sie ihn auf einmal verlor und dann würden sich ihre „Freundinnen“ über sie lustig machen. Oder vielleicht wollte sie auch nur ihr süßes Geheimnis in ihrem Innern haben. Jedenfalls war die Zeit gekommen, es ihren Freundinnen zu erzählen. Ihr Herz klopfte bis zum Hals und sie fühlte sich im Moment nicht sehr wohl in ihrer Haut.
„Hey Ladys, ich muss euch was erzählen“, sagte Mary Kelly mit zittriger Stimme. Alle sahen sie an und sie wäre am liebsten im Erdboden versunken.
„Kleine, erzähl es uns“, sagte Elizabeth und nahm ihre Hand, da sie gemerkt hatte, dass Mary Kelly irgendwie davor Angst hatte.
„Mhh, also, ich weiß nicht, wo ich eigentlich anfangen soll, aber ich habe einen jungen charmanten Mann kennen gelernt und ich denke, dass er vielleicht der Richtige ist.“ Verlegen sah sie auf den Boden.
Annie Chapman sah sie ungläubig an. Sie war schon so früh am Abend besoffen und sie antwortete ohne jegliches Gefühl: „Also, du meinst, du hast einen neuen Freier gefunden? Ja, das meinst du doch, Mary Kelly!“ und begann zu lachen. Auf einmal schämte sich Mary Kelly noch mehr, vielleicht war die Idee, es ihren Freundinnen zu erzählen, nicht so gut gewesen. Jedenfalls war sie jetzt wegen allem etwas unsicher, aber sie könnte eines Tages was werden und nicht wie ein paar von ihren Freundinnen, die die Zukunft nur in Alkohol sahen.
„Nein Annie, es ist kein neuer Freier, ich habe einen Mann kennen gelernt, der sich wirklich für mich interessiert“, sagte sie es wütend, aber man hörte auch die Sicherheit tief in ihr.
„ Na ja, wenn du es meinst, aber pass auf, die Männer sind doch nur Schweine und vielleicht will dein Prinz dich nur ausnützen!“, sagte sie barsch und ging Richtung Theke. Mary Kelly schloss wieder ihre Augen und ließ ihre Wut nach draußen fliehen.
„Mary Kelly, wenn du denkst, dass er der Richtige sein könnte, dann lass ihn nicht laufen. Du könntest noch ein schönes Leben haben, weil du noch jung bist und höre nicht auf Annie, sie ist nur eifersüchtig, dass sie nicht mehr deine Jugend besitzt“, sagte Elizabeth und die restlichen Freundinnen nickten mit ihren Köpfen und lächelten ihr zu. Sie war überglücklich über Elizabeths Antwort. Wenigstens würde eine von ihnen sie verstehen.
„Wenn du willst, aber ich meine nur wenn du willst, könntest du ihn einmal zu uns einladen, dann könnten wir ihn besser kennen lernen. Was meinst du, Mary Kelly?“ Mary Kellys Herz hüpfte wie wild, hatte sie das wirklich gesagt? Sie musste eigentlich keine Angst haben Angelus einmal mit zu nehmen, da er schon alles über sie wusste.
„Also, wenn es euch nichts ausmacht, dann würde ich ihn gerne mitnehmen.“
Alle bejahten außer Annie Chapman, die fröhlich mit einem Mann an der Theke sprach. Es war sicher wieder ein neuer Freier von ihr.
5.08.1888
Angelus und Mary Kelly trafen sich an diesem Abend - wie fast an jedem Abend - wieder. Man könnte sagen, dass sie unzertrennlich waren. Jeden Abend, nachdem die Sonne untergegangen war, trafen sie sich auf einer Brücke in der Nähe von East End und von dort aus liefen sie fast die ganze Nacht durch die Straßen von London. Meistens brachte Angelus ein Geschenk mit, wie z.B eine Rose, eine Schachtel mit Pralinen usw. Jedes Mal war sie nach diesen Geschenken den Tränen nah und sie fühlte sich wie im 7. Himmel. Wie konnte ein Mann nur so lieb sein und noch nie hatte er etwas von ihr verlangt. Sie wollte ihn jetzt fragen, ob er einverstanden war, ihre Freundinnen oder besser gesagt ihre einzige Familie zu treffen, aber leider besaß sie im Moment nicht den Mut um ihn zu fragen. Sie hatte vor einer negativen Antwort Angst. Stattdessen bedankte sie sich bei ihm für die wunderschöne Zeit, die er ihr bescherte.
„Ich möchte mich bei Ihnen bedanken, Angelus.“
„Warum wollen Sie sich bei mir bedanken?“, fragte Angelus und sah sie ungläubig an.
„Ich habe mich noch nie bei einem Mann so gut gefühlt und Sie gibst mir einfach das Gefühl, dass ich etwas wert bin“, lächelte sie und sah auf den Boden. Irgendwie schämte sie sich für das was sie gesagt hatte. Angelus hob ihr Kinn und sah ihr tief in die Augen.
„Sie müssen sich nicht schämen, my Lady. Ich fühle mich bei ihnen auch sehr gut.“
Sie konnte seinem Blick nicht entziehen, seine Lippen kamen immer näher, bis sich die ihren und seine Lippen zärtlich streiften. Er hatte so weiche und süße Lippen und er küsste wie ein wahrer Meister. Man konnte förmlich seine Leidenschaft spüren und sie fühlte sich, als würde sie in Ohnmacht fallen. Als sie sich trennten, hatte sie immer noch ihre Augen geschlossen. Eine Wonne der Wärme durchfuhr ihren Körper, schließlich öffnete sie ihre Augen und sah in sein Gesicht. Er lächelte sie an und ohne etwas zu sagen und Arm in Arm gingen sie weiter in die Nacht.
11.08.1888
Seit ein paar Tagen hatte sie keine Ahnung wo Angelus war, besser gesagt seit diesem Kuss. Im Moment fühlte sie sich leer. Sie hatte Angst, dass sie ihn für immer verloren hatte. Vielleicht hatte er bei diesem Kuss ihr wahres Gesicht gesehen und vielleicht hatte es ihm nicht gefallen. Vielleicht hatte er sie vergessen oder vielleicht hatte er nur viel zu tun. Es waren Fragen über Fragen, die sie sich von Minute zu Minute stellte. Vielleicht hatte Annie Recht, dass er nur ein Freier für sie gewesen war, aber nein, sie wollte nicht daran denken oder es sogar glauben. Schließlich machte sie sich auf den Weg um ein paar Sachen zu erledigen und um sich abzulenken.
Am Abend saß sie auf ihrem Bett und dachte die ganze Zeit nur an ihn, an Angelus. Sie konnte ihn nicht aus ihrem Kopf jagen und das fand sie bedrückend, es schnürte fast ihre Kehle zu und sie konnte nicht normal atmen. Auf einmal klopfte es an der Tür. Sie ging zur Tür und öffnete sie. Vor ihr stand ein Mann und übergab ihr einen Umschlag.
. „Das ist von Master Angelus, my Lady.“ Sie nahm den Bief an und schloss die Tür ab, öffnete den Umschlag und las den Zettel.
My Lady, es tut mir leid, dass ich mich nicht bei Ihnen gemeldet habe. Ich hatte leider viel zu tun, ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen und deswegen möchte ich Ihnen etwas schenken, etwas, dass Sie seit langem erwarten. Kommen Sie bitte um 20.00 zum Hotel.
In Liebe, Angelus.
Was hatte eigentlich das Ganze zu bedeuten? Er wollte ihr etwas schenken, weil er sich nicht früher gemeldet hatte? Innerlich lachte sie, endlich hatte er sich gemeldet und jetzt fühlte sie wieder eine Wärme in ihr.
Sie wusste nicht, wie sie es geschafft hatte, aber innerhalb von 30 Minuten hatte sie sich gewaschen, angezogen und sogar die Haare zusammen gebunden. Schnell machte sie sich auf den Weg zum Hotel. Sie spürte förmlich die Schmetterlinge in ihrem Bauch und fühlte sich, als würde sie in Ohnmacht fallen. Ihre Schritte waren schnell und sie dachte, dass sie bald nicht mehr würde atmen können. Tief in ihr drinnen spürte sie ein Zittern, das durch ihren ganzen Körper lief, sie spürte die Angst oder vielleicht war es eher die Nervösitat in ihrem Körper. Endlich erreichte sie das Hotel, sie öffnete die Tür und ging hinein. Langsam, Stufe um Stufe ging sie hinauf, bis sie vor der Tür stand. Sie wollte wieder gehen, als sich die Tür auf einmal öffnete. Angelus sah sie an und dabei lächelte er. Jetzt spürte sie förmlich das Zittern in ihrem Körper und sie besaß in diesem Moment nicht den Mut um den Mund zu öffnen.
„ Sie fragen sich sicher, warum ich Euch hierher bestellt habe, oder?“ fragte Angelus
„Mhmm, also, ich habe mich wirklich gefragt, aber….“
Angelus schnitt ihr das Wort ab.
„Ich möchte Ihnen ein Geschenk machen, my Lady.“ Er nahm eine Strähne aus ihrem Gesicht und legte sie sanft hinter ihr Ohr.
„Kommen Sie einfach mit, es wird eine Überraschung.“ Süß und zugleich mit gierigem Gesicht sah er sie an.
Als sie aus dem Hotel hinausgingen, wartete schon eine Kutsche auf sie. Wie ein wahrer Gentleman ließ Angelus Mary Kelly als erste in die Kutsche steigen.
Nach einigen Minuten fuhren sie los, die Kutsche streifte durch die Straßen Londons. Plötzlich hielt sie an. Mary Kelly stieg hinaus und sah hinauf zu einem großen Gebäude. Sie wusste, wo sie waren, Angelus hatte sie zum besten Teil von London gebracht.
Sie konnte sich nicht bewegen, ihre Glieder waren wie gelähmt. Angelus sah sie amüsiert an, aber das hatte Mary Kelly nicht bemerkt. Immer noch sah sie hinauf zu dem Gebäude, ja sie erkannte es. Ok, sie war noch nie drinnen gewesen, aber sie hatte viel über dieses Gebäude gehört. Dort konnten nur die Reichen hinein gehen. Nicht weil die Armen nicht hinein gehen durften, doch warum sollten arme Leute hinein gehen? Man konnte dort sowieso nichts kaufen, nicht einmal wenn sie 30 Jahre lang Geld beiseite legen würde. Dieses Gebäude war eines der größten Warenhäuser in England. Man konnte dort vieles kaufen, aber leider war alles zu teuer für jemanden wie sie.
Auf einmal spürte sie eine Hand an ihrem Rücken, sie drehte sich um und sah in Angelus Gesicht.
„Komm, gehen wir hinein, ich habe Ihnen ja gesagt, dass ich eine Überraschung für Sie habe.“ Dabei zwinkerte er ihr zu. Immer noch wie gelähmt ließ sie sich von Angelus ins Warenhaus führen. Der Geruch von verschiedenen Ölen kam ihr entgegen, fast raubte er ihr die Sinne. Überall an den Wänden hingen Dekorationen und sie bestaunte sie. Sie ließ sich immer noch von Angelus führen, als sie abrupt blieb stehen. Sie hatte nie so etwas Schönes gesehen, es war ein kleines Zimmer und darin waren tausende von Kleidern. Sie hatte aber nur für ein Kleid Augen, es lag auf einem Tisch. Es war weiß und mit goldenen Fäden bestickt, sie glaubte, dass das Kleid aus Seide bestand. Sie ging näher und streckte ihre Hand aus. Sie hatte Angst es zu berühren, so zerbrechlich sah es aus.
„Möchten Sie es haben?“, riss Angelus sie aus ihrem Traum. Sie nickte nur. Endlich verflog ihre Stummheit.
„Also, ja, ich möchte es gerne haben, aber leider nur in meinen Träumen.“ Ihr Gesicht sah traurig aus. Auf einmal sackte ihr ganzer Körper in sich hinein. Sie wusste, dass das unmöglich wäre.
Angelus hob ihr Kinn. „Nichts ist unmöglich, wenn Sie es wollen, dann werden Sie es haben“, sagte er.
„Lady, ich möchte dieses Kleid für diese wunderschöne Dame. Könnten sie sich darum kümmern?“
Die Verkäuferin nickte zuerst fröhlich, aber als sie sich Mary Kelly genauer ansah, verzog sie ihr Gesicht. Angelus sah sie streng an und sie nickte wieder, dabei zog sie Mary Kelly in die Umkleidekabine und mit sich schleifte sie auch das Kleid mit.
Nach einer Ewigkeit kamen die beiden Frauen wieder hinaus.
`Sie sieht wie eine Göttin aus`, dachte sich Angelus.
Sie kam näher und er konnte seine Augen nicht von ihr abwenden. Weiß stand ihr perfekt und es schmeichelte ihrem schlanken Körper und ihrer weißen Haut.
Jetzt war die Zeit gekommen ihn zu fragen.
„Angelus, möchten Sie meine Freundinnen kennen lernen? Sie sind wie meine Familie und…“
„Pssst…..sagen Sie nichts mehr, ja ich werde mit Ihnen kommen und Eure Freundinnen kennen lernen, meine Göttin.“
TBC?
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